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Lodowing Insiun, Deininger Shanghai, spricht über den Lockdown in China

„Suits & Sneakers“ ist der Deininger Podcast für Entscheiderinnen und Entscheider. Wir sprechen mit Führungspersönlichkeiten über Themen wie neue Arbeitswelten, Digitalisierung, die Veränderung von Führung und ihre Erfahrungen im Aufbau und bei der Steuerung von Unternehmen.
27.9.2022
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„Wenn es zu einem kurzfristigen Lockdown kommt, dann passiert es schnell, dass man bis zu einem Monat und länger nicht nach Hause kann. Generell beobachte ich eine größere Gelassenheit bei den lokalen Mitarbeitern, während ausländische Angestellte wesentlich angespannter auf die restriktive Mobilität reagieren.“

Herr Insiun, Sie waren selbst von einem harten Lockdown betroffen. Können Sie uns die Situation in Shanghai schildern?

Der Lockdown in Shanghai war eine Extremerfahrung für alle Einwohner. Zu Beginn wusste niemand, wie lange er dauern würde. Dass er letztendlich zwei Monate anhielt, hat sicherlich niemand erwartet. Dass es anfangs Probleme mit der Versorgung von Lebensmitteln gab, war daher nicht erstaunlich. In Shanghai leben schließlich 25 Millionen Menschen. Im Gegensatz zu den Lockdowns in Deutschland durfte niemand auf die Straße, weder zum Einkaufen, zum Joggen noch, um mit dem Hund Gassi zu gehen.

Die Versorgung sollte theoretisch komplett durch Online-Bestellungen bei den Supermärkten stattfinden. Aber die Lieferdienste und E-Scooter-Fahrer fielen am Anfang reihenweise aus, weil sich viele infiziert hatten und selbst in Quarantäne mussten.

Meine Familie und ich leben auf der Puxi Seite, wo wir ein paar Tage mehr Zeit hatten, um uns rechtzeitig mit Vorräten einzudecken. In Pudong, auf der östlichen Flussseite von Shanghai, mussten die Behörden schneller handeln und die Einwohner hatten nur einen Tag Zeit, um sich auf den Lockdown vorzubereiten. Die Versorgung mit Lebensmitteln verbesserte sich ab der 3. Woche. Es hing allerdings stark davon ab, wo man wohnte. Je weiter entfernt man von einem Supermarkt lebte, desto länger musste man auf die Bestellungen warten. Die Stadtregierung organisierte zwar sehr zügig eine kostenlose Lebensmittelversorgung an alle Haushalte. Das hatte aber eher symbolischen Charakter, weil nicht immer alles dabei war, was man gerade brauchte.

Beeindruckend war die Solidarität innerhalb der Nachbarschaft und in den Wohnsiedlungen. Viele Ausländer und westliche Expats, die Schwierigkeiten mit den chinesischen Webseiten der Supermärkte hatten, bekamen Unterstützung von ihren chinesischen Nachbarn. Mit Hilfe der englisch-chinesischen WeChat-Übersetzungsfunktion konnte man sich verständigen und der chinesische Nachbar bestellte für einen mit. Der Austausch von Lebensmitteln untereinander florierte. Man fragte einfach in der Chatgruppe, wer Mehl gegen Eier oder Toilettenpapier gegen Seife tauschen wollte. Vieles wurde aber auch einfach so weitergegeben, ohne eine Gegenleistung. Die gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft und echte Hilfsbereitschaft untereinander wird mir in guter Erinnerung bleiben.

Sie führen seit 2009 die DEININGER Management Consulting China. Wie ist die Stimmung?

Bei der Besetzung von Fach- und Führungskräften mussten wir zu Anfang der Pandemie feststellen, dass viele Firmen zögerte. Die Entscheidungsträger aus Deutschland konnten nicht mehr so einfach nach China fliegen, um den finalen Kandidaten für die Geschäftsführerposition zu interviewen. Einen CEO, CFO oder Werksleiter nur basierend auf Videointerviews einzustellen, war für alle ungewohnt. Wir haben für unsere Kunden daraufhin Leitfäden für die Bewertung von Kandidaten erarbeitet und zugleich neue Videotechniken in unserem Büro eingesetzt, um ein besseres Gesamtbild der Kandidaten zu erhalten. Insofern hat sich an der guten Stimmung nichts geändert.

Für welche Branchen wird gesucht? Gibt es in China auch einen Mangel an qualifizierten Fachkräften?

Wir sind auf alle Branchen spezialisiert, in denen deutsche Firmen als „hidden champion“ gelten. In Branchen wie Maschinenbau, Automatisierung, Automotive, Elektrotechnik, Spezialchemie, und wo immer ein Absatzmarkt für hochwertige deutsche Qualitätsprodukte existiert, wird weiterhin eingestellt.

Es gibt in China keinen Mangel an qualifizierten Fachkräften, allerdings muss man als ausländische Firma mit mangelnden Englischkenntnissen zurechtkommen. Je entfernter die Fabrik und Niederlassung von den großen Metropolen angesiedelt ist, desto größer ist das Problem, gutes Personal mit Englischkenntnissen zu finden. Diese Regel galt vor 25 Jahren und gilt auch heute noch. Fakt ist, dass China kein Billiglohnland mehr ist. Mit den steigenden Personalkosten ist aber auch die Qualität der Produkte in China deutlich besser geworden.

Warum werden gezielt Expats gesucht? Was sind die Chancen und Risiken?

Es werden immer noch Expats gesucht, aber genau genommen sind es lokalisierte Expats. Der Unterschied ist, dass echte Expats eine Rückkehrgarantie im Arbeitsvertrag haben, wenn der Entsendungsstatus ausläuft. Darüber hinaus läuft die Krankenversicherung weiter, solange man in China arbeitet. Von diesem Model rückt man aber immer mehr ab, weil sowohl die Firmen als auch der entsandte Mitarbeiter sich schwertun, später eine passende Stelle in der Firmenzentrale zu finden.

Wenn ausländische Firmen vor Ort nach Expats suchen lassen, wird im Interviewgespräch direkt klargestellt, dass die Position nur Entwicklungspotenzial in China hat. Da aber viele Manager ihren Lebensmittelpunkt in China sehen, haben wir keine Schwierigkeiten bei diesem Verhandlungspunkt. Es gibt diverse Gründe, warum Firmen weiterhin auf Expats zurückgreifen. Oftmals ist es eine komplizierte Joint-Venture-Gesellschaft, in der der ausländische Partner mit einem Expat eine reibungslose Kommunikation und Transparenz sicherstellen will. Wiederum werden auch kaufmännische Positionen mit einem Ausländer besetzt, was häufig noch bei börsennotierten Firmen vorkommt. Die Fluktuation bei ausländischen Arbeitnehmern ist im Vergleich zum lokalen Management generell niedriger. Die chinesischen Manager werden einfach häufiger mit neuen Stellenangeboten konfrontiert. Alle 3 bis 4 Jahre zu wechseln, gilt als ganz normal bei lokalen Führungskräften. Expats sind hier konservativer und zurückhaltender.

Wie wirkt sich die Pandemie auf den Arbeitsmarkt in China aus?

Wir spüren deutlich den Trend, dass seit dem Ausbruch der Pandemie auch chinesische Manager zurückhaltender beim Jobwechsel sind. Dieser bedeutet oftmals zugleich einen Standortwechsel. Aber in Zeiten der Zero-Covid-Strategy kann die Mobilität plötzlich sehr eingeschränkt werden. Viele Berufspendler wie Ingenieure, Abteilungsleiter und deren Geschäftsführung wohnen unter der Woche in der Nähe der Fabrik und fahren zum Wochenende nach Hause zu ihren Familien. Aber wenn es zu einem kurzfristigen Lockdown kommt, dann kann es passieren, dass man plötzlich einen Monat oder länger nicht nach Hause kann.  Wer aktuell wechselt, will meistens nicht weiter wegziehen, sondern eher in der Nähe der Familie bleiben. Generell beobachte ich aber eine größere Gelassenheit bei den lokalen Mitarbeitern, während ausländische Angestellte wesentlich angespannter auf die restriktive Mobilität reagieren. Es trifft daher zu, wenn die deutschen Auslandshandelskammern in Peking und Shanghai von einem Exodus der europäischen Expats von 30 bis 40 Prozent oder mehr sprechen. Man muss nur differenzieren, dass es erst einmal die Partnerinnen mit Kindern sind, die China verlassen, während der berufstätige Ehemann noch bleibt. Arbeitsvertraglich ist es ja auch gar nicht möglich, einfach die Koffer zu packen und wegzuziehen.

Wieso haben Sie sich für den Beruf des Personalberaters entschieden?

Nach meinem Studium habe ich 2002 zunächst bei einer Strategieberatung in Düsseldorf gearbeitet, bevor ich 2005 nach Shanghai umgezogen bin. Als junger Projektmanager wurde ich beim Aufbau von Fabriken und Vertriebsniederlassungen in ganz China eingesetzt. Da ergab es sich von selbst, dass die Klienten auch nach Personalrekrutierung gefragt haben. Es macht mir einfach mehr Spaß, jeden Tag mit Menschen zu sprechen und deren wirkliche Wechselmotivationen zu erfahren, als trockene Powerpräsentationen zu erstellen.

Was sind momentan die größten Herausforderungen?

Der Rohstoffmangel und die steigenden Energiekosten treffen auch die chinesischen Firmen hart. Man hört aus vielen Provinzen, dass aufgrund des heißen Sommers viele Fabriken wegen Stromausfalls immer wieder stillstehen. Zudem erlebt der Bausektor gerade eine Flaute und hier geht es um bis zu 100 Millionen Arbeitsplätze. Darüber hinaus müssen wir abwarten, wie die Null-Covid-Strategie weiterhin umgesetzt wird.

Andererseits boomt der Verkauf von Elektroautos. Marktführer ist Tesla mit einem Produktionswerk in Shanghai. Direkt dahinter folgen chinesische Automarken wie BYD, XPENG, Li Auto und NIO. Die traditionellen Marken wie Volkswagen, Mercedes, BMW und Toyota haben in diesem Jahr deutlich an Anschluss verloren. Die Batteriehersteller für Elektroautos exportieren dagegen fleißig nach Europa oder fertigen schon vor Ort, wie die Firma CATL. Im Gegensatz zu früher wollen chinesische Firmen nicht nur mehr produzieren, sondern vor allem hochwertiger. Die Herausforderung liegt daher in der Weiterbildung, Spezialisierung und im professionellen Management der Unternehmen.

Welche Entwicklungen sehen Sie für den Arbeitsmarkt in China. Bleibt das Land für ausländische Arbeitskräfte weiterhin attraktiv?

Im ersten Halbjahr 2022 haben wir einen deutlichen Wirtschaftseinbruch in China erlebt. Millionen von Hochschulabsolventen tun sich gerade schwer, einen Einstiegsjob zu finden. Die Shanghaier Stadtregierung bietet den Firmen pro eingestelltem Hochschulabsolventen 2000 CNY (290 Euro) an. Im Top-Management dagegen sehe ich keine dramatischen Veränderungen. Die überwiegende Mehrheit der Führungspositionen war schon vor der Pandemie mit sehr guten chinesischen Managern besetzt. Wenn es um die reine monetäre Kompensation geht, verdienen chinesische Manager genauso viel wie Expats. Was aber die lokalen Expats teurer macht, sind die Zulagen wie Schulkosten, Wohnungszuschuss, private Krankenversicherung und Heimflüge. Wenn eine Firma sich gegen einen Expat entscheidet, dann vor allem wegen der hohen Gesamtkosten. Von den ungefähr 5.000 deutschen Firmen in China haben mehr als 85 Prozent bereits einen chinesischen Geschäftsführer.

Aufgrund der Restriktionen der Null-Covid-Strategie werden viele Expats nach Alternativen im Heimatland oder in Südostasien suchen. Ich sehe diesen Trend aber nur als vorübergehend an. Spätestens wenn alle Einschränkungen wieder aufgehoben werden, bin ich überzeugt, dass China als Arbeitsort für Expats wieder attraktiv sein wird. Städte wie Shanghai, Peking und Shenzhen bieten unter normalen Umständen eine wirklich hohe Lebensqualität.

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